Symposium TdS 2015* | Wir sind Überlebenskünstler – Neurobiologie der Gefahrenabwehr
10.10.2015, 09:45 - 10:30
*Veranstaltungen (1996–2015) im Rahmen des »Turm der Sinne« sind vor Gründung von Kortizes abgehalten worden; jedoch mit maßgeblicher Arbeit des heutigen Kortizes-Teams. Die Auflistung hier erfolgt nur aus archivtechnischen Gründen.
Wir sind Überlebenskünstler
Neurobiologie der Gefahrenabwehr
Vortrag von Prof. Dr. Guillén Fernández
Die Evolution bevorzugt Reaktionsmuster, die das Überleben wahrscheinlicher machen – auch und gerade in Gefahrensituationen. Wenn unsere körperliche Unversehrtheit oder sogar unser Leben bei einem Unglück oder Verbrechen akut bedroht sind, oder wenn wir uns bei der Durchquerung einer dunklen Unterführung auch nur bedroht fühlen, reagieren wir mit einem Reaktionsmuster, das unterschiedliche geistige und emotionale Reaktionen so miteinander abstimmt, dass unsere Überlebenswahrscheinlichkeit sich generell erhöht. Ein Gefühl der Angst verbunden mit erweiterter Aufmerksamkeit verbessert die Erkennung von tatsächlichen oder vermeintlichen Gefahren. Erhöhte motorische Bereitschaft und eingeschränkte geistige Reflexion ermöglichen eine rasche, automatisierte Reaktion. Verbesserte Gedächtnisbildung trägt zur Gefahrenabwehr und -vermeidung in der Zukunft bei. Neueste Forschungsergebnisse zu neurobiologischen Grundlagen dieser raschen, wohlabgestimmten und hochkomplexen Gefahrenabwehr, die fast das gesamte Gehirn mit einbezieht, werden vorgestellt. Insbesondere sind individuelle Unterschiede in der Gefahrenabwehr Gegenstand der aktuellen Forschung, da diese erklären, warum einzelne Menschen besonders empfindlich und andere besonders widerstandsfähig sind. Dieses Reaktionsmuster der Gefahrenabwehr erhöht unsere Überlebenswahrscheinlichkeit, wenn wir tatsächlich Gefahren ausgesetzt sind; es kann aber Zeichen einer psychischen Störung sein, wenn das Individuum objektiv keiner Gefahr ausgesetzt ist. Daher trägt diese Forschung auch zum Verständnis psychischer Erkrankungen bei, die durch inadäquate Reaktionsmuster der Gefahrenabwehr charakterisiert sind, wie zum Beispiel bestimmte Angststörungen.