Gehirn, Denken & zerebrale Bildtechniken – Gedankenphotographie des frühen 20. Jahrhunderts
16.07.2013, 19:30 - 21:00
*Veranstaltungen (1996–2015) im Rahmen des »Turm der Sinne« sind vor Gründung von Kortizes abgehalten worden; jedoch mit maßgeblicher Arbeit des heutigen Kortizes-Teams. Die Auflistung hier erfolgt nur aus archivtechnischen Gründen.
TdS Vortragsreihe »Außer Sinnen« 2013*
Gehirn, Denken & zerebrale Bildtechniken
Gedankenphotographie des frühen 20. Jahrhunderts
Vortrag von Prof. Dr. Sabine Flach
Der Vortrag nimmt seinen Ausgangspunkt in der Gedanken- und Auraphotographie des frühen 20. Jahrhunderts, um zu zeigen, wie vermittels einer neuen Medientechnologie Gedanken ein Bild gegeben werden soll. Die maßgebliche Bedeutung der Gedankenphotographien, der Drang, dem Denken, der Seele, dem Fluidalen ein Bild zu geben, wird als signifikant für die Entwicklung der Moderne verstanden und analysiert. Moderne produziert eben nicht nur Fortschritt, sondern auch Mythologie, und Aufklärung verdankt sich in der Tat auch mythologischer Arbeit.
Gottfried Benn beschreibt bereits 1910 in seinem »Beitrag zur Geschichte der Psychiatrie« die Dimension der modernen Hirnforschung und skizziert somit das herausragende Phänomen der Lebenswissenschaften: das Gehirn, seine Funktionen und die Auswirkungen dieses Faszinosums auf Vorstellungen über Emotionen und Gefühle, Gedanken, Bewusstsein, seelische Zustände, kurz: unsere kognitiven Fähigkeiten.
Beim Versuch, diesen Funktionsweisen auf die Spur zu kommen, scheint es um nichts anderes zu gehen, als darum, mit Blick auf das Gehirn das Subjekt selbst zur Anschauung zu bringen. Über diese Anschaulichkeit, also über ein ikonisches, bildhaftes Wirken, sollen die Verschränkungen der immateriellen Zustände Denken, Wissen, Emotion, Erleben und Bewusstsein erstmalig präzise erklärbar gemacht werden. Dies geht mit der Vorstellung einher, das Denken und Fühlen eines Subjekts tatsächlich sehen und somit erklären zu können. Und es korreliert mit der Entwicklung medientechnischer Apparate, die vermittels der Technologie selbst zu sensiblen Agenten für Auskünfte über das Gehirn werden.
Um diesen Schauplatz, das Faszinosum Gehirn, zugänglich zu machen, wurden (und werden) Darstellungs- und Bildtechniken entworfen, deren gemeinsames Bemühen es ist, Repräsentationsraum und Psyche miteinander zu koppeln, vielmehr noch: eins zu machen, um die neuronalen Korrelate des Bewusstseins und das Wechselspiel von bewussten und unbewussten Prozessen untersuchen zu können. Der Vortrag endet mit Anmerkungen zu aktuellen Forschungen über visuelles Wissen.