Symposium TdS 2011* | Kriminalprognose an hirndeterminierten Rückfallautomaten?
15.10.2011, 16:45 - 17:30
*Veranstaltungen (1996–2015) im Rahmen des »Turm der Sinne« sind vor Gründung von Kortizes abgehalten worden; jedoch mit maßgeblicher Arbeit des heutigen Kortizes-Teams. Die Auflistung hier erfolgt nur aus archivtechnischen Gründen.
Kriminalprognose an hirndeterminierten Rückfallautomaten?
Über die Freiheit des Verbrechers
Vortrag von Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber
Wären Menschen in ihren Verhaltensbereitschaften und -möglichkeiten eng determiniert wie Tiere, wäre Verhaltensvoraussage vergleichsweise einfach. Tatsächlich aber zeigt sich, dass die materiellen (cerebralen und sonstigen somatischen) Grundlagen unseres Wahrnehmens, Bewertens und Handelns ein breites Spektrum von Variationen ermöglichen, und dass Spiel, Zufall, soziale Interaktion und Bereitschaft zum Versuch des Neuen eine immense Varianz eröffnen. Vor diesem Hintergrund erweist sich, dass die Vorhersage nicht auf der unspezifischen Grundlage biologischer Marker gelingt, sondern sehr viel besser auf der postepigenetischen, soziogenen Grundlage erworbener Verhaltensbereitschaften, Werthaltungen und Handlungserfahrungen. Ob eine bestimmte (auch kriminelle) Entscheidung getroffen wird, ist nicht biologisch vorentschieden, sondern ein Vektor aus selbst entwickelten Persönlichkeitsdispositionen und sozialen Interferenzen. Kriminalprognose erfasst und beschreibt anhand des biographischen Narrativs den Wahrscheinlichkeitsrahmen, mit dem eine solche Entscheidung erwartet werden kann.